Nach jedem Tunnel kommt ein Licht, auch wenn er noch so lange ist.
*Lesezeit: 10 Minuten*
Am 26.04.2025 war es „Zeit für Klartext“ und ich habe mich mit dieser Offenbarung sehr zurückgezogen, was ich mit keinem Tag bereue. Was aber habe ich in den berühmtem knapp 100 Tagen gemacht bzw. was ist mit mir passiert?
Ich habe diese Zeit u.a. intensiv genutzt, um an mir zu arbeiten, um herauszufinden, warum es nochmal so weit kommen konnte. Und solch eine Arbeit ist nur mit absolut geistiger Klarheit, ohne sinnlose Ablenkung bzw. Benebelung der Sinne durch Rauschsubstanzen möglich; dazu zählen für mich heutzutage neben Alkohol und Drogen auch die sozialen Medien.
Und heute ist der Tag, an dem ich sagen kann, dass ich die Erkenntnis gefunden habe, die mir seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten die Energie geraubt und die dazu geführt hat, dass meine Kraftreserven vollkommen erschöpft sind. Ich würde es sogar noch ein Stückchen weitertreiben: Der Tank hatte mittlerweile durch permanentes Scheuern ein Loch bekommen. Jetzt härtet erstmal der Klebstoff, den ich anbringen konnte. Dann wird wieder aufgefüllt. Mit all der Zeit, die dafür notwendig ist. Geht dies zu schnell von Statten, schwappt alles wieder über.
Bei dieser mentalen Arbeit stand mir eine Psychotherapeutin als externe und objektive Hilfe zur Seite, von einer weiteren Therapie haben wir aufgrund der Erkenntnis abgesehen, da ich zum einen eine starke Willenskraft habe und zum anderen kein pathologischer Befund vorliegt.
Warum schreibe ich öffentlich über dieses Eingeständnis, was im Kontext der folgenden Zeilen eher skurril klingt? Zum einen, weil ich schon immer Dinge zu Ende gebracht habe, die ich begonnen habe. Die meisten Menschen kennen mich aus den letzten Jahren überwiegend durch meine sportlichen Aktivitäten und dem Ehrenamt, in welchen ich – auf den sozialen Medien – immer und stark präsent war. Und sich so ganz ohne Erklärung zu „verabschieden“, fühlt sich irgendwie falsch an.
Was aber ist denn nun genau das „Problem“?
Ich werde nicht müde zu betonen, dass in meinen Augen ein Burnout immer dann entsteht, wenn man auf Dauer ein Leben lebt, dass man selbst nicht ist (Stichwort: Authentizität) und dass dann latenten Stress erzeugt.
Was führte die letzten 15 Jahre zur Erschöpfung der Kraftreserven? Es ist ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, das ca. 30-40% der Menschen betrifft aber in unterschiedlichem Ausmaß, bei mir treffen alle Eigenschaften zu und ich befinde mich am Ende der Skala: Ich bin ein hochgradig Introvertierter Mensch.
Ich bin froh, dass ich das endlich für mich erkannt und bestätigt bekommen habe. Wenn ich mein Leben so reflektiere, ziehen sich alle Eigenschaften eines „Intro“ wie ein roter Faden durch ebenjenes. Im Folgenden gehe ich auf die Kernpunkte mit meinen eigenen Erfahrungen ein. Die, die mich gut kennen, können vermutlich alle Punkte bestätigen bzw. wird ihnen jetzt einiges klarer.
Es sind auch Stärken dabei, so ist es nicht.
- Energiequelle:
- Wird aus dem Innenleben, aus Gedanken, Gefühlen und Reflexionen geschöpft
- Intensive und gründliche Auseinandersetzung mit Dingen
- Intros lesen sehr viel
- Soziale Interaktionen:
- Ruhebedürftigkeit: Intros ziehen sich oft zurück und sind gerne mit sich allein, was ihnen absolute Unabhängigkeit schafft (mir hat die Coronazeit gar nichts ausgemacht). Sie sind aber nicht einsam. Das ist ein sehr großer und wichtiger Unterschied!
- Sie bevorzugen tiefgründige Gespräche mit wenigen Personen anstatt großer Gesellschaften mit viel (verbalem) Lärm.
- Small Talk ist verschwendete Zeit und in großen Gruppen wird eher die Beobachterrolle eingenommen
- Verhalten:
Ruhig, bedacht und zurückhaltend - Arbeitsweise:
- konzentriert und selbständig. Jede Störung wird als Affront behandelt (und damit oft auch Leute vor den Kopf gestoßen)
- Analytisch, Problemlösend und ein Organisationstalent – ach ne…
- Kreativ: In der Berufswelt sind mir die Konzeption von neuen Prozessen und der Aufbau von Strukturen immer am liebsten. Wenn das „alles steht“, ziehe ich mich zurück
- Hohe Vorstellungskraft oder auch „Visualisierung“. Das ist einer meiner Kernkompetenzen im Sport.
- Ausdruck:
Besser schriftlich als mündlich, da es großen Freiraum und tiefe Denkprozesse ermöglicht; lieber E-Mail als telefonieren. - Empathisch:
Intros sind gute Zuhörer und sind aufmerksam. Ihnen entgeht nichts und sie haben eine hohe Beobachtungsgabe (das stand früher in jedem meiner Zeugnisse…) - Konfliktscheu:
Vermeidung weiterer Diskussionen, die so und so zu nichts führen
Begriffliche Abgrenzungen
Im Übrigen ist das Gegenteil der Extrovertierte Mensch, der seine Batterie im Umgang mit anderen Menschen auflädt. Die Personengruppe, die auf der Skala dazwischen liegt, sind ambivertiert. Wie gesagt, das Ganze ist nicht pathologisch, sondern ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal. Der Psychologe Carl Gustav Jung prägte das Begriffspaar in den 1920er Jahren; ambivertiert hingegen ist kein offizieller psychologischer Begriff.
Die meisten Menschen kennen beiden Seiten der Skala und haben nur sanfte Herausbildungen in die ein oder andere Richtung.
Es ist dabei wichtig von der Schüchternheit oder sozialer Phobie zu unterscheiden. Diese haben pathologische Ausprägungen (z.B. Angst oder Panikattacken). Introversion geht nicht mit körperlichen Symptomen einher. Es heißt aber nicht, dass diese Angststörungen nicht trotzdem entwickeln werden können, aber auch von Extrovertierten.
Wenn man das obige so liest, könnten man meinen, ich bzw. alle Intros sind Nerds, die sich nur nachts auf die Straße trauen. SO IST ES NICHT. Ich bin nach wie vor ein geselliger und freundlicher Mensch, daran wird sich nichts ändern. Ich muss nur für mich wissen, wann Schluss ist, wann sich meine soziale Batterie dem Ende zuneigt und wie ich Selbstfürsorge betreiben kann.
Warum hat das Ganze nun zur totalen Erschöpfung (aka Burn-Out) geführt?
Zur Wiederholung: Ich lebte ein Leben, das ich nicht bin. Dazu zwei Ansatzpunkte
- Die Athletin Anja & Die sozialen Medien (FB, IG, LinkedIn, WhatsApp)
Wenn man geschriebenes mit meinem Auftritt in den sozialen Medien vergleicht, wird einem einiges klar. Mir sind diese seit Jahren zunehmend ein Dorn im Auge, die Selbstdarstellungen kosten mich Kraft, weil es für mich sinnlose Zeitverschwendung und vor allem rein oberflächlich ist. Das Leben spielt sich real und draußen ab. Warum habe ich das Spiel mitgespielt? Ich hatte naiverweise immer gehofft, so mehr Aufmerksamkeit, Präsenz und vor allem Partner und Sponsoren zu finden. Kontra wird sagen: „Ja, aber als Influencer verdient man so viel Geld“. Ja, aber zu welchem Preis? Ich habe besseres zu tun als tagtäglich gefakte, unauthentischen Videos zu drehen und Bildchen zu machen, die in Nanosekunden geswiped werden.
Es gibt allerdings auch Meinungen, welche die Scheinwelt für Intros attraktiv machen, weil sie sich dort von zu Hause aus bequem „verstecken“ können. Sehe ich anders. Das ist absolut unauthentisch und gerade Authentizität ist einer meiner Grundwerte.
Mein Auftritt auf den sozialen Medien wird sich daher künftig (noch) weiter reduzieren. - Die Arbeitnehmerin Anja
Meine letzte Tätigkeit als Personalreferentin bzw. – Leitung, in welche ich ab 2015 so peu a peu reingewachsen bin, hat natürlich auch nicht unbedingt dazu beigetragen mein Persönlichkeitsmerkmal zu unterstützen. Mir hat die Personalarbeit sehr viel Spaß gemacht, aber mehr, wenn ich mich in Zahlen und Admin verkriechen konnte und weniger Interaktionen hatte.
Nur zur Erinnerung: Im ersten großen Kapitel meines Lebens war ich als Versicherungsbetriebswirtin und Wirtschaftsprüferin in der internationalen Finanzdienstleistungswelt unterwegs. Warum ich dort 2010 in Burn-Out Nr. 1 gerannt bin, brauche ich nicht nochmal erklären, dazu gibt es einige Podcasts. Ich bin aber dankbar für diesen Einschnitt, weil es mir mit dem Sport und der Erfahrung im Personalbereich unglaublich schöne, großartige und natürlich sehr erfolgreiche athletische Jahre beschert hat.
Wie geht es weiter?
Ich bin auch jetzt unheimlich glücklich, dass das alles so passiert ist, angefangen damit, dass ich im Herbst 2024 meinen Job verloren habe. Ich spürte selbst, das einiges in mir arbeitet und alles passiert bekanntlich, wie es passieren muss.
Ich habe nur den Fehler gemacht, mich Hals- über Kopf in eine Selbständigkeit zu stürzen, obwohl ich absolut keine geistige Klarheit hatte und Leer war. Aber auch das sind Erfahrungen und die viele Arbeit, die ich in „Anja Kobs Sport- und Mentalcoaching“ gesteckt habe, ist bestimmt nicht verloren. Teile davon werde ich in der Zukunft mit Sicherheit umsetzen. Vor allem das Athletencoaching bereitet mit unheimlich viel Freude und ermöglicht es mir, meine sportliche Expertise weiterzugeben. Ein tolles Erfolgserlebnis ist dabei Nicole (LINK).
Aber jetzt muss ich erstmal mit dieser positiven Erkenntnis klarkommen und einen gesunden Mittelweg finden.
Ich sprach Ende April von „Ein Sommer nur für mich“ und das lebe ich gerade richtig schön aus, um die Batterien aufzuladen. Ansonsten mache ich mir aktuell noch keine Gedanken über die Zukunft, ich habe von allem alten losgelassen und vertraue meinem direkten Draht zum Universum. Lange genug habe ich in das Karma eingezahlt. Ich bin ein sehr genügsamer Mensch und brauche nicht viel (Geld) um glücklich zu sein. Glück muss so und so intrinsisch sein.
Parallel schreibe ich an meinem Buch, der erste Rohentwurf wird bald stehen. Ob ich es je veröffentliche, weiß ich nicht. Aber das ist ja das spannende und tolle im Leben: Es gibt so viele unzählige Möglichkeiten, an welche man nie gedacht hätte. Wenn mir mein großes ich vor 15 Jahren am absoluten Tiefpunkt gesagt hätte, was alles auf mich wartet, hätte ich nur laut gelacht.
Fazit – Ein Ende der Selbstzweifel
Man, bin ich gerade erleichtert. Solche Selbsterkenntnisse sind unheimlich bereichernd. Endlich weiß ich, was mit mir los ist und ich muss mich nicht mehr verstellen. Seit Jahren, wenn nicht sogar schon Jahrzehnte prägen mich enorme Selbstzweifel, dass was nicht mit mir stimmt. Schon als Kind war ich am liebsten allein zu Hause und habe gelesen. Im Laufe der Jahre habe ich mich dann gesellschaftlichen Zwängen auferlegt. Intros denken aber nicht normal und versuchen dann extrovertiert zu sein, was eben langfristig zu gesundheitlichen Problemen führt, da Körper und Geist viel Kraft abverlangt wird. Ich werde jetzt einen Weg finden und freue mich auf alles, was da kommt.