14.04 – Ein Marathon der besonderen Art …
…. Oder: Das “berühmte Operationsrisiko” ….
Ja, eigentlich war der Plan über meinen Lauf beim Obermain Marathon zu sprechen. Das implizierte „aber“: Es kam alles mal wieder ganz anders und lief gehörig daneben:
Startschuss – Das Osterwochenende
Hätte ich mir für den Start des Dramas keinen besseren Tag aussuchen können wie Karfreitag! In der Früh lief alles noch super! Bei einem Tempolauf mit 1000er Intervallen absolvierte ich in 2.04h grandiose 26.98km (4.36er Pace). Die Form passte, dennoch verspürte ich zu Ende der Einheit tiefsitzende Rückenschmerzen. Aufgrund meiner Nierensteinerfahrung aus 2015 schrillten die Alarmglocken, vor allem deshalb, weil bei einer Routineuntersuchung ca. 1 Woche vorher ein potentieller Stein eruiert wurde (noch nicht bestätigt). Tja, so sollte es dann auch sein. Nach einer schlaflosen Nacht mit Brech-Durchfall entschieden wir uns am Samstag für die Notaufnahme, wo die Diagnose Nierenstein (9*1,5mm) bestätigt wurde. Nun gut, schnell raus damit, dann ist’s vorbei. Der eine Marathon war damit Geschichte, dafür begann einer der besonderen Art 🙁
Die ersten 15km: Alles easy – die OP (29.3)
Nach einer Nacht im Krankenhaus ging es mir im Anschluss witziger weise wieder prima, Ostersonntag und -montag wurde noch kräftig auf dem Rad geballert, am Dienstag ging es dann zur Entfernung des Klunkers ins Fürstenfeldbrucker Krankenhaus; bislang war ich bei meinen Eingriffen ja immer Gast im Klinikum Rechts der Isar. Da es sich aber diesmal um einen vermeintlichen kleinen Routineeingriff handelte, entschied ich mich – auch aus logistischen Gründen – für das lokale Haus, weil dort mein Urologe Belegbetten hält. Im Grunde war es auch „nur“ eine URS, d.h. Harnleiterspiegelung, der Stein mit dem Laser zertrümmert und gut ist. Die Belastung der Vollnarkose wegen des nur 20-minütigen Eingriffes auch minimal(er).
Nach 30km wird’s zäh: Der noch unbekannte Albtraum begann (2.4)
Bereits Donnerstag/Freitag nach dem Unterfangen „hüpfte ich schon wieder durch die Gegend“, freute mich auf das Training und darauf, am Montag wieder zur Arbeit gehen zu dürfen. Am Samstagvormittag beschlich mich ein seltsames Gefühl mit leichten und undefinierbare Schmerzen und Übelkeit. Zuerst versuchte ich das mit der noch liegenden Harnleiterschiene (zum Abfluss der Nieren, Routine nach einer URS) schönzureden, als aber dann das Fieberthermometer 37.9C anzeigte, war klar, dass ich eine Infektion hatte. Naheliegend, dass diese von der OP kam. Geistesgegenwärtig griff mein Lebenspartner, seines Zeichen Arztes, sofort zum Antibiotikum und zum Urinstick. Und darin war wiederrum alles so multiple enthalten, wie es sicher nicht im Geiste des Erfinders war!
Das Wochenende, welches schön relaxed sein sollte, verbrachte ich halbschlafend mit ca. 40C Fieber auf der Coach, Sonntagabend liebäugelten wir mit einer erneuten Fahrt ins Krankenhaus. Die berühmten „24 Stunden zuwarten“, um dem Antibiotikum Wirkraum zu verschaffen, schienen zu helfen. Bis Montagmorgen machte ich den noch berühmteren „Sprung“, die Medikation schien anzuschlagen, das Fieber auf 38.1C runter und es ging mir besser, allerdings immer alles andere als gut. Eine Blutabnahme sollte Aufschluss bringen. Da das Ergebnis dieser i.d.R. erst einen Tag später verfügbar ist und das Fieber am frühen Nachmittag wieder auf 40C stieg, war eine stationäre Einweisung nun unumgänglich, primär um schnell Blutwerte zu bekommen; die Sepsis klopfte an! Wieder entschied ich mich – suboptimaler-weise– für Fürstenfeldbruck.
“Hit the Wall” – Volle Kelle
Die Blutwerte offenbarten das Ausmaß des Desasters… CRP-Wert (Entzündungsmarker) jenseits von 200 (Referenzwert:5!), Leukozyten von 18.000 (3.800-10.800) mit einem “Ruhe”puls von 128 ist auch nicht ohne. Sarkastisch gesehen, konnte ich wenigsten hier die Konkurrenz weit hinter mir lassen. Das Antibiotikum wurde auf Intravenös umgestellt und am Dienstag auch der Wirkstoff, weil das Fieber nicht sank. Auch wurde Dienstagnachmittag ein Blasenkatheter gelegt – man vermutete bereits aufsteigende Keime, welche die Infektion immer wieder in die Nieren zurückgetrieben hätte – das Fieber letztendlich mit eisigen Wadenwickel in Schach gehalten!
Km40 – Der Kopf zählt!
Zu diesem Zeitpunkt waren die Prognosen der behandelten Ärzte schon sehr vage geworden. Gelinde gesagt, es gab keine! Die “quick-win” Diagnose “Nierenbeckenentzündung” schnell obsolet. Irgendein Bakterium/Keim schickten sich an, meinen Körper zu zerfressen! Man glaubt im schlechten Film zu sein, oder bei einer Folge des Superman-„Bergdoktor“. Nur gab es bei mir nach 90min dank der Genies keine Lösung eines unlösbaren Problems und nix war gut. Als nämlich die Laborwerte und das Fieber am Mittwoch immer noch unverändert waren, dachte ich wirklich das war’s. 40 tolle Jahre, beendet bei einem therapieresistenten Keim. Ein Trost: die Mediziner wurden ebenso nervös, sehr nervös!
Binnen Stunden hatte ich zwei radiologische und eine gynäkologische Untersuchungen hinter mir, davon eine mit Kontrastmittel (wiederrum Gift für die Nieren 🙁 ). Das alles lies ich in stoischer Ruhe über mich ergehen. Zähigkeit und Leidensfähigkeit. Tolle Eigenschaften. Sie helfen. Manchmal. Immer Öfter! Status Mittwochmittag: KeinPlan. Nada, Nothing, Niente!
Der sehr lange Zieleinlauf – mit allerletzter Kraft (6.4)
Am frühen Nachmittag erschien dann mein persönlicher „Bergdoktor“ in Form meines Freundes auf Station und studierte die CT-Bilder nochmal zusammen mit den Urologen. Ein Internist sieht alles nochmal mit anderen Augen, differenzierter und entdeckte dann zum Glück wenig freie Flüssigkeit im Bauchraum; der Verdacht einer Keimansammlung. Ein abschließendes MRT – wieder mit Kontrastmittel – brachte die Bestätigung: da war was, was da nicht hingehört. Ich habe sehr viel Glück, einen Lebenspartner zu haben, der neben dem „normalen“ Praxiswahn noch den Job eines Krankenhauses übernimmt. Die hiesigen Urologen waren sehr bemüht, sind ihnen aber doch wohl aufgrund ihrer belegärztlichen Stellung die Hände gebunden (Prozesse). Naja, und eine post-operative Infektion mag keiner so richtig wahrhaben… Mehr sag ich nicht mehr zu Fürstenfeldbruck. Das Pflegepersonal ist ein eigenes Kapitel .
Noch am selben Abend wurde ich in das Klinikum Starnberg verlegt und dort von Anfang an im Team rund um Chefärztin Dr. Harrer äußerst kompetent und professional behandelt und betreut (der eifrig denkende Leser weiß, dass das Privileg dessen natürlich auch nicht von irgendwo herkommt…. ). Die Antibiose wurde umgestellt und ab diesem Abend schossen nun dreimal täglich 2 verschiedene Antibiotika weiterhin intravenös in meine Blutbahnen. Dass ich nun mit Nebenwirkungen zu kämpfen hatte, ist unnötig zu erwähnen!
Ach ja die freie Flüssigkeit: Donnerstag war der Plan, mit einem weiteren Kontrastmittel-CT die Flüssigkeit zu punktieren, drainieren und zu untersuchen. Soweit kam es aber nicht. Nach Gabe des Mittels und der ersten Bilder stellte man fest, dass die Flüssigkeit verschwunden war. Huchuuuu, die pharmazeutischen Waffen schlagen an! Das bestätigten dann auch die ersten Laborwerte am Freitag: CRP schon bei 100, Leukos bei 12.000! Nachteil allerdings, dass man jetzt im Nachhinein nicht 100% sagen kann, woher diese Infektion stammt. Der Verdacht liegt aber, nach einem weiterem Gespräch mit einem Urologen, nahe, das durch die Harnleiterschiene Verletzungen entstanden sind und wenn dann nicht alles 150% sauber ist… Ich glaube jetzt zu wissen, was das das namhafte “Operationsrisiko” bedeutet!
Am Sonntag 10.4 die ersten Schritte nach Tagen! 10 Minuten, mehr war nicht drin, aber ein Gefühl der Freiheit. Tags drauf wurde der nächste Laborwert genommen, ich war hypernervös, blieb dennoch zuversichtlich, weil das Fieber bereits seit Donnerstag vollends verschwunden war. Um 16Uhr kam dann die Erlösung: CRP bei 23, Leukos bei 6100 in der Norm, Urin sauber.
Warum erzähle ich das eigentlich alles so in epischer Breite: Weil’s einfach so richtig ätzend war, ganz ehrlich! Und ich hoffe, diese Zeilen nach meinen nächsten sportlichen Erfolg mit einem Lächeln auf den Lippen lesen zu können!
Die Regeneration (14.4)
Nach weiteren 3 Tagen intravenöser Antibiose wurde ich gestern, mit einer Dosis für eine weitere Woche oraler Einnahme, entlassen. Ich fühle mich schon um Welten besser, auch wenn ich weiß, dass der (sportliche) Weg zurück ein langer werden kann. Ich fühle mich müde, schlapp und ausgelutscht. Die – dann – letzten drei Wochen – alleine 19 Tage Antibiotika, davon 10 intravenös – waren wohl mehr als ein Marathon. Davon muss sich mein kleiner, dennoch super funktionierender Körper erstmal erholen; das totale Desaster (Blutvergiftung) hat er par excellence abgewehrt!! Wenn das klappt und ich auch wieder zur Arbeit gehen kann, starten wir am 25.4 mit dem Wiederaufbau. Aus athletischer Sicht kann und will ich aktuell nicht mehr sagen, fühle mich aber bei meiner Trainerin Wenke Kujala in sehr guten Händen! Wir sind ein super Team und sie wird es auch dieses Jahr wieder schaffen, mich qualitativ, für quantitativ wenige Wettkämpfe, fit zu bekommen.
Kein “Großkampf” ist ohne Unterstützung stemmbar und immer wieder Teil des ‘Erfolges’: Auch für mein psychisches Wohl sorgt mein Herzstück! Ich will nicht wissen, wie ich das alles ohne ihn geschafft hätte. Dazu halfen meine Mutter und die Freundin meines Onkels über das ein oder andere Zwischentief hinweg.
Da sieht man mal wieder, auf was es im Leben wirklich ankommt: Liebe, Gesundheit und “ein bisschen Frieden“. ALLES andere ist Luxus !! Aber das wollen und können viele auf ihrer „Insel der Glückseligen“ aufgrund geistiger Umnachtung und/oder haltloser Gier nach „höher, schneller, reicher“ nicht verstehen.
Das Resümee
„Everything happens for a reason“ und so wird es auch dieses Mal wieder sein. Das Ganze hat nicht nur körperlich sehr wehgetan. Immer wieder aufstehen, immer wieder von vorne anfangen. Aber bereits Cicero sagte „Höre nie auf anzufangen und fange nie an aufzuhören“. C’est la vie. Alles andere wäre langweilig.
Natürlich wird auch weiterhin mit Hochdruck daran gearbeitet, welche Stoffwechselstörung für meine Steinbildung sorgt, die eigentlich seit der Sanierung im Oktober durch Medikamente im Griff sein sollte. Ich möchte behaupten, mittlerweile einen guten Stab an Heilkünstlern um mich zu haben. Stolz bin ich darauf aber nicht, aber es beruhigt sehr! Und für dieses Jahr habe ich beschlossen, das Gutscheinheft mit dem Namen “Pech” aufgebraucht zu haben 🙂
Ein letzter Dank an den Veranstalter des Obermain Marathons, die mir aufgrund dieser Geschichte das Startgeld zurückbezahlt haben. Ich weiß, dass für einen kleinen Veranstalter jeder Euro zählt und diese Geste fand ich ganz große Klasse! Ironman z.B. würde eher an seinem Profitstreben ersticken, als das sie Athleten mit Pech im Unglück unterstützen.
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